Texte zu
den Liedern von "Schnitter"
Im Sommer 2006 beschloss «eCHo», Lieder zum Thema
Tod zu bearbeiten. Er erscheint in den alten Liedern
so oft dass wir fanden, diese dritte CD wird die Seinige.
«Gestatten – Bruder Tod».
Uns gefällt, wie gewöhnlich er in den alten Volksliedern
daher kommt. Er gehört zum Leben - so einfach ist
das. Media vita in morte sumus - Mitten im Leben sind
wir des Todes. Es ist auffallend, wie viele Facetten
er aufweist. Sei’s der Liebestod, der Tod im Krieg,
Krankheit, Kindsmord, Todessehnsucht, Todesurteil
oder der Tod als Rächer. Da wird «gedealt» mit dem
alten Gevatter oder man versucht ihm gar ein Schnippchen
zu schlagen. Darum habe ich jedem Lied ein «Bild des
Todes» zugeordnet. Spielerisch, nicht allzu ernst.
Die Bilder von Tabea Hüberli sollen
Stimmungen unterstützen, Fragen stellen, Gegensätze
schaffen und Übergänge bilden.
Es ist das erste Mal, dass wir die Lieder
zu einem Thema auswählen. Wir hoffen, sie regen an
und auf und unterhalten besser als ein schlechter
Fernsehkrimi.
I hole di o (Endo Anaconda arr. Marfurt / Dettwiler
/ Lauterburg)
- Einisch bin i dr Aare naa
ha nümme wölle läbe
ha nes brochnigs Härz gha
im ne Novämberräge
i ha mi totegrau gfüehlt
ha eifach wölle gaa
u d’Aare hätt mi furtgspüelt
wär nid dr Fährimaa
wo seit:
i holedi holedi holedi oo
- Dä Typ dä isch brandmager gsy
fasch nume Hut u Chnoche
i ha ne gfragt: hesch niemer meh
wo dr chli tuet choche?
Aber är het mit syre Sichle gstichlet
"grüessgott i bi dr Tod"
das het mi fasch ds tod erchlüpft
wüu gäge Tod het me ke Brot
i hold di......
- Warum är mi tüeg rette
hani vonem wöuä wüsse
wüu i nid uf dr Liischte syg
u nid wägem schlächte Gwüsse
Ob ig em nid ä Zigi heig
obschon’s extrem tüeg schade
ihm miech das nüt u Rouch
syg guet gäg d Made
- är het so todtruurig gluegt
dä arm Chnochemaa
ja früecher heig me no Respäkt gha
aber hütt wöu ne niemer meh ha
är läbi vom Sozialamt
u als Tod heig är nüt z lache
wüu diä won är wett näh
diä wärdi uralt wäg dene sibe Sache
aber i hole se scho....
- zum Glück läbeni no
todglücklech, zäi u wild
i bi em Tod toddankbar
u gseh immer no das Bild
dä arm Tod im Toteboot
no lang het är mir gwunke
u we hütt no niemer gstorben isch
isch är bestimmt ertrunke
u seit:
i hole di o ....
Von und für Endo Anaconda, für uns der
grösste Volkssänger der heutigen Schweiz. Oder ist er
gar der Einzige? Der Letzte Mohikaner, der unentwegt
gegen die verblödeten Schlagertexte ansingt? Ein feiner
Mann. Er passt prima zu den Figuren und Helden auf unserer
CD.
Der Text ist eine treffliche Einleitung zu unserem Thema.
Aus dem Schreckensgespenst Tod wird im Lauf des Liedes
ein Normalo und am Ende hat man fast Mitleid mit dem
«arme Chnochemaa».
Hier machen wir aus zeitgenössischer Musik ein Jodellied,
wir drehen den Spiess also einmal um. Die Sense des
Schnitters gibt uns den Groove.
Bild des Todes: Der Tod als Normalo.
Der Tod als Versager? Der Tod als Sozialhilfe-Bezüger?
Potz Marter Kyeri Velten (trad. arr. Lincke)
- Potz Marter, Kyeri, Velte (1) du hascht vil Lieder
gmacht,
rüemscht dich in aller Welte, du habescht gwunn’
ein Schlacht
Du lügscht als wyt dir s’Muul ischt und rüemescht
dich eigner Schand
Der Graben hat dir s’Läba g’frisst, nid Landsknecht’s
Gwehr noch Hand
- Ihr durftet üch nid rüehren und blybtend in dem
Nest,
wiewohl ihr jetzund füehrend gross Triumph, Pracht
und Fescht.
Hand wir die Flucht all troffen, do wir vom Graben
kamen,
warum seid ihr dann nicht nachegloffen in tusig
Tüfels Namen?
- Mit Pochen (2) Schwören Plären wend ihr all Welt
erschlahn,
warum habt ihr Navärren (3) d’Eidgnossen stürmen
lahn?
Die Stadt hand wir gewunnen, erschlagen üwer Fründ,
warum seid ihr da nit kummen, dass öich s’höllisch
Füür entzünd?
- Heb jetz verguet bim Schwyzer, bis dass er’s baas
gelehrt
und schenk ihm ein paar Krüüzer, die het er bald
verzehrt
mit Wildbret, Fisch und Hasen du myn Liedlindichter
zart.
Ich scheiss dir’n Dreck auf d’Nasen und drü in Knebelbart!
1 Fluch
2 Prahlen
3 Novara in Italien
(Quelle: Treichler, S. 46)
«1522 verloren die Eidgenossen die Schlacht von Bicocca
in Oberitalien. Niklaus Manuel «Deutsch», Feldschreiber
des Söldnertrupps, der spätere Dramatiker, Maler, Graphiker,
Reformator und Staatsmann, der den berühmten Totentanz
von Bern gemalt hat, verfasste darauf hin dieses Lied
um die Scharte wenigstens auf psychologisch-propagandistischer
Ebene wieder auszuwetzen. Der Zorn der Eidgenossen galt
der neuen Schützengraben-Strategie der deutschen Landsknechte.
Sie verschanzten sich in Erdgräben und schlugen den
Ansturm der Eidgenossen immer wieder zurück, ohne sich
zum Nahkampf zu stellen. Die Schweizer zogen sich schliesslich
– nach dem Verlust von rund 3'000 Mann – über den Gotthard
zurück, ohne Sold annehmen zu wollen.»
(Zitat Hans Peter Treichler)
In einer Strophe, die wir nicht übernommen
haben, heisst es: «Wir hand all gross begehr, einmal
mit dir zue tanzen (natürlich prügeln) wo gar kein Vorteil
wär» und am Schluss: «glich wie di Tachs (Dachse) und
Murmeltier also grabend ir üch in»! Weils so schwer
verständlich ist, muten wir uns und Euch nur diese vier
Strophen zu. Es soll über 30 geben davon.
Die Schweizer Reisläufer und die deutschen Landsknechte
waren erbitterte Feinde, auch aus gegenseitigem Brotneid.
Abgeleitet von der Schlacht bei Bicocca heißt «bicoque»
im Französischen: ein kleiner, schlecht befestigter
Platz, welcher sich kaum gegen den ersten Anlauf zu
halten vermag.
Bild des Todes: Der grausame Schlächter,
der Tod als Wüterich
S‘Schötzerschmied Anneli (trad. Melodie: Treichler
arr. Lincke)
- Es tuet das Anneli früe uufstah
es wott im Chüele grase gah
es grased dem Chalbeli wie der Chue
es luegt im en stolze Riiter zue.
- «Ach Anneli lass das Grase la sii
chumm mit dem stolze Riiter echli
i wetti dir gä vill hundert Pfund
wänn’t mit mir chämtisch ei halbi Stund!»
- «Ei halbi Stund wär mir nid z’lang
i wett bi der si mein Leben lang!»
Er packt das Anni bim Gürtelschloss
und schwueng es hindre ufs höchere Ross.
- Er fier mit dem Anni dur Stude und Stei
«oh heia - ohe, mini wiisse Bei!»
«Dine wiisse Bei, dene schone-n-i nid
en stolze Riiter, das bin ich nid.»
- Er fier mit dem Anni vor’s höllische Tor
da stienden drei «Gottbhüetis» dervor
der erste heisst s’Anni gottwilche sii
der ander stosst’s dur d’Türe-n-ii.
- Der dritte macht im es Chessi voll Glüet
stellt em’s under si Händ und Füess
sie gäben dem Anneli Schwäfel und Päch:
«Oh heia - ohe, das isch nid rächt!»
- Sie setzen das Anni uf en glüeige Stuel
füüren im under gar heiss und chuel
sie zogen im ab sini schneewiissi Huut
und miechen en graue Schimmel druus.
- Es gieng numen eben dritthalbe Stund
bis das Anneli vor d’Schötzerschmitte-Brugg chunnt
«Ach Schmidli, lieber Schmidli mii:
Spitz mer drü Negel und schlaa mer se-n-ii!»
- Und der ersti Nagel der Schmiedchnächt schlieg
der graui Schimmel vorumme lieg
der ander Nagel der Schmied sälber schlieg
der Schimmel vorumme lieg und rief:
- «Ach Vatter ghöred, es isch jetz gnueg:
Ir pschlönd eures eigeti Fleisch und Bluet!»
«So bisch du mis Töchterli Anneli!
Weiss Gott wie’s dir mag ergange sii!
- Jetz han-i gschmidet und nümme mee,
ich rüere der Hammer in grüene Chlee.
Jetz han-i gschmidet und nümme mee,
ich rüere der Hammer in grüene Chlee.»
(Quelle: Treichler, S. 33)
Grausig-blutrünstige, mystische Geschichte über das
Anneli und den schönen Ritter, der sich als übler Sauhund
entpuppt. Das Anneli kommt in die Hölle, wird gehäutet
und in einen Schimmel verwandelt, der sich dann vom
eigenen Vater die Hufeisen einnageln lassen muss. Der
Text birgt allerhand Diskussionsstoff: Geht es hier
um eine Initiation oder um eine Vergewaltigung? Oder
ist das alles bloss ein bisschen Hühnerhaut aus dem
Mittelalter, ein Vorgänger heutiger Horrorfilme? Es
gibt Versionen mit übler, billiger, kirchlicher Moral
am Schluss. Die konnten wir getrost weglassen.
Hans Peter Treichler schreibt dazu: «Einst stand im
luzernischen Wiggertal im Dorfe Schötz die Schötzerschmiede.
Eine Kapelle in der Nähe war dem heiligen Eligius, dem
Schutzpatron der Hufschmiede geweiht. Das Legendengut
rund um Elligius kennt das Motiv einer in ein Pferd
verwandelten Hexe.»
Hostettler schreibt: «die Legenden um Eulogius seien
älter als der wahre Heilige (ca. 590 – 660). Sie gehen
auf germanische Sagen zurück: nach der Christianisierung
übertrug das Volk die verbotenen, heidnischen Märchen
auf die Heiligen.»
Bild des Todes: der faszinierende,
unheimliche Tod, Hannibal Lector? Der Tod als Sauhund?
Ballade vom Leuenberger (trad. Melodie: Hostettler
arr. Marfurt)
- Was wei mir aber singen?
und was wei mir heben an?
zue singen vom Leuenberger
und wie es ihm ergangen war
- Es isch ihm nit wohl ergangen
und es wird ihm nit wohl ergahn
sie hei ihn zu Riemen gschnitten
und sie hänkten ihn an die Strass (1)
- Die Surythaler (2) sind nid erschrocken
sie ziechen gar manich dran
gäge Mellige (3) welen sie ziechen
mit etlichen tausend Mann
- Es isch äben einer da unten
das isch der Junker Mey von Rieth
es war ein braver Surythaler
der ihm den Spiess am Haupt zerschlieg (4)
- "Du hast mich übel geschlagen:
Das du wohl sälber weist!
Noch mehr will ich dir zrugg gäben
dass du das Läben nit davon treist.
- Sie zogen ä klei bass uhen
wohl uhen vor Buchsi's Hus (5)
da sprach der Leuenberger
mis Läben isch jez bald us
- Er schlueg wohl auf die Trommen,
den Friden ruft er us:
Kommt här, mini lieben Soldaten,
mys Läbe-n isch jez bald us.
- Mir begähren ja nit zu chriegen
mir begähren nume widerum häi,
mir begähren nume wider die Rächte
die wir vorher ghäben hei.
1 nach seiner Hinrichtung durch das Schwert wurde
der «Bauernkönig» gevierteilt. Die Fleischstücke
hängte man an den vier Toren der Stadt Bern auf
– den Bauern zur Warnung.
2 das Suhrental im (damals noch bernischen) Kt.
Aargau
3 Melligen bei Baden. Dort trafen das Bauernheer
und die Armee des Zürcher Generals Werdmüller anfangs
Juni aufeinander. Terrormassnahmen des hochwürdigen
Generals (Freigabe des Landes zur Plünderung, Brandstiftungen
in Büblikon und Wohlenschwil) bewirkten die Abspaltung
einer verräterischen Kapitulantenpartei unter den
Bauern. Ihr gehörten vor allem verängstigte Leute
aus der Gegend an.
4 Johann Rudolf May von Rued, der Berner Festungskommandant
auf der Lenzburg. Als er vor dem Wirtshaus «Löwen»
in Aarau hoch zu Ross den Einmarsch fremder Truppen
rechtfertigte, schlug ihm ein Suhrentaler Bauer
den Spiess quer über den Rücken, dass der Schaft
darob zerbrach.
5 das Beinhaus bei der Kirche von Herzogenbuchsee.
Als an Pfingsten die Armee des «Bauernschlächters»,
Gerneral von Erlach heran nahte, vertraute Leuenberger
auf den mehrfach ausgehandelten Frieden und schickte
seine Leute nach Hause. Einige Hundert Bauernsoldaten
wagten die letzte, verzweifelte Schlacht trotzdem.
Sie unterlagen. Herzogenbuchsee wurde niedergebrannt
und geplündert.
(Quelle: Hostettler, S. 60/61)
Eine Ballade aus der Zeit des Bauernkrieges von 1653.
Niklaus Leuenberger war der charismatische Anführer
der Bauern. Er zauderte, die Stadt Bern anzugreifen,
was die Bauern wohl letztlich den Sieg kostete. Die
Obrigkeit hielt ihn durch falsche Verhandlungen hin
bis sie genügend auswärtige Truppen beisammen hatte.
Feine Herren. Es bleibt anzufügen, dass Leuenberger
unter der Folter enorm redselig war, aber kann man
ihm das verübeln? Nach der Niederschlagung des Aufstandes
liessen die Gnädigen Herren im grossen Stil grausam
und unerbittlich morden, brandschatzen und stehlen.
Wen die Hintergründe zum Bauernkrieg von 1653 interessieren,
dem sei Urs Hostettlers Buch «Der Rebell vom Eggiwil»,
über den Bauernführer und Rebellen Ueli Galli, wärmstens
empfohlen. Süffig zu lesen und erstaunlich aktuell.
(Zytglogge-Verlag).
Bild des Todes: Der Tod als schlangenzüngiger
Staatsmann
Mütschegäischt (Trad. Rees Gwerder arr. Marfurt/Dettwiler)
Hören Sie’s? Wie dieser Geist poltert
und wie er sirrend und rastlos durch die Nacht gaunert?
Kinder und Frauen erschreckt und gestandenen Mannen
den Angstschweiss in die Achselhölen treibt.
Bekannt wurde die Melodie durch den Örgeligott und Querkopf
Rees Gwerder, «dr Eigeler» genannt, um den sich zahllose
Anekdoten ranken.
Bild des Todes: Ohnmacht angesichts
des Todes
De Puur am stärbe (Text: C. A. Loosli, Musik: Markus
Traber, arr. Dix)
- Frou, i muess der öppis säge,
chumm da zue mer, nach zum Bett;
gange itz em Änd entgäge,
z’wehre nützt nüt, gäb i wett!
Wäge dessi muesch nid gränne,
s’muess e jede-n einisch dänne! (1)
- Was mer zäme hei erhuset
das isch wäger fei e chly,
u-n hätt mi nid übel gruset
we-n es minger wäri gsy
däwäg chasch de ömu läbe
we de-n öppe luegsch drnäbe.
- Eis hingäge muesch verspräche,
ds Stärbe wurd mer süsch wohl schwär:
Us de Chräche-n us de Schäche
lahsch mer d’Lychlüt nid hei läär;
lahsch e tolli Grebt arichte,
dass de d’Lüt drvo hei z’brichte.
- Wägem Heimet muesch de sinne
Dass ’s y Abgang nid mah g’ko;
Gält, das weisch, isch ordli drinne,
we de luegsch so geit es scho,
d’Lyse tät i de verchoufe,
si isch nüt meh ja für ds Loufe.
- Lah im Huswald de lah holze,
s’git der gäng chly Gält y ds Hus;
uf dä Huswald bi-n i stolze,
nimm de nume ds Gröbschte drus
Chleeb u Stärn (2) lah beed erguschte, (3)
s’chönnt am Änd der Jud de gluschte.
- Chasch de nid alls meisteriere,
häb di de a Meischterchnächt,
ihm tüe d’Dienschte gunterbiere
u dernäbe-n isch är rächt,
weiss am beschte z’tue u z’rate--
chönntsch ne z’letscht am Änd hürate.
- D’Püüri muess gar grüüsli pläre
dert a Drätti’s (4) Totebett,
seit: "Da git es gar nüt z’chäre,
s’geit eso wie du hesch gredt
wägem Chnächt bruchsch nüt di z’ängschte,
zäme hei mer s’abgredt längschte!"
(Quelle: Hostettler, S. 160/161)
1 von dannen
2 Kuhnamen
3 decken, begatten
4 Ätti, Vatter
Sterbeballade mit grotesker Note. Der
Text wurde vom wunderbaren C. A. Loosli, Freigeist und
Querdenker, in selbsterfundener Emmentaler Schreibweise
verfasst - allein dafür hat er unsere Hochachtung. Überhaupt
ist er eine Figur zum Entdecken.
Wir haben darüber diskutiert, den Text am Ende der 6.
Strophe. «s’chönnt am Änd de Jud de gluschte», abzuändern.
Loosli war alles andere als ein Antisemit - im Gegenteil
- er war während der Nazizeit ein mutiger Anwalt der
Juden, was man zu jener Zeit nicht von vielen behaupten
kann. Auch uns liegt es fern das alte, dumme Klischee
vom raffgierigen Juden zu kolportieren. Wir haben den
Text nun so gelassen, wie ihn Loosli selbst geschrieben
hat.
Urs Hostettler übersetzt «de Jud» einfach mit «Viehhändler».
Der Berner Troubadour Markus Traber hat dieses und andere
Loosli-Gedichte vertont.
Bild des Todes: Der Tod als Trugbild
Altes Grenchnerlied (trad. arr. Maggiori)
- Es het e Bur es Töchterli
mit Name heisst es Babeli.
Es het zweu Zöpfli gälb wie Gold,
drum isch em au der Dursli hold.
- Der Dursli (1) lauft em Ätti noh:
«O Ätti (2), wottsch mer’s Babeli loh?»
«Mys Babeli isch no viel zu chlei,
es schlaft no wohl drü Johr allei.»
- Der Dursli lauft i vollem Zorn
wohl in die Stadt go Solethurn.
Er lauft die Gasse-n y und us,
bis dass er chunnt vor’s Hauptmes Hus.
- «O Hauptme, liebe Hauptme my,
i will mi dinge-n i Flandere-n y.»
Der Hauptme zieht der Seckel us
und git dem Durs drei Taler drus.
- Der Dursli geit jetz wieder hei,
hei zu sym liebe Babeli chlei.
«O Babeli, du liebs Babeli my,
i ha mi ’dunge-n i Flandere-n y.»
- Das Babeli lauft wohl hinger’s Hus,
es grynt (3)em schier syni Äugeli us.
«O Babeli, briegg (4) doch nit eso,
i wott ums Johr jo umme cho!
- Und chumm I über’s Johr nit hei,
so schrybe-n i dir es Briefli chlei;
darinne söll’s geschriebe stoh:
Mys Babeli wott i nit verloh.
- Und wenn der Himmel papyrig wär
und jede Stärn e Schryber wär,
und jede Schryber hätt siebe Händ:
Si schribe doch myner Liebi kes Änd.»
1 Verkleinerung von Durs, Urs
2 Vater, aus dem Berndeutschen übernommen
3 weinen
4 weinen
(Quelle: Hostettler, S. 70)
Die alte Geschichte: Der Soldat in der Ferne, das Liebchen
zuhaus, die Sehnsucht vereint. Die letzte Strophe, zwar
später hinzugefügt, versah Goethe mit dem Prädikat «Köstlich!»
Bild des Todes: Der Liebestod
Buecher Fridli (trad. arr. Marfurt)
- Es chömed drei Stadtchnächt vo Willisau
"Ach Fridli los was mir dir sägen au.
Müemer di binde, müemer di foh,
oder wettischt na sälber uf Luzern ine cho
- "I törf na sälber go uf Luzere,
wohl under d'Auge stoh dene Herre!
Bi mynere Warhet blyben-i stoh
und müesst i au mys läbe lah.
- Und wie'n er chäm ie uf Luzern
die Herre all uf der Rüssbrugg wärn
stolzieren über die Rüssbrugg y
und heissen den Fridli gottwilchen sy
- "Ach Fridli, stand ab vo dyne Wort
so chast du z'Abig widerum furt."
"Was i gredet ha reden-i no,
bi mynere Wahrhet blyben-i stoh.
- So tätens de Fridli in schiefe Turm
darin isch wohl gar mäng üble Wurm
er chönnt weder ligge, er chönnt weder stah
er müesst wohl uf de Chneune gah.
- Und als das Glöggli nüni schlueg
an einem Samschtig in der Fruech
ist er uf de Chneune gläge,
so füehred's en ab, abe dur d'Stäge
- Sie nähmen den Fridli wohl us dem Turm
und füehred ihn zum Richtplatz schon
Sie richted ihn, es isch en Gruus,
's Bluet schiesst ihm obe zur Hirnschalen us.
- 's Mareili gieng untern Galgen zue bäte
die Herren wellten ihm das absprächen
"der Galgen ist ja keis Gotteshus,
's ist süst nur in der Chilchen der Bruuch
- 's Mareili gab zur Antwort druf,
das bäte ist na überall de Bruuch
und ist der Galgen e käs Gotteshus
's tuet doch de Luzerner d'Auge-n uf.
(Quelle: Hostettler, Anderi Lieder S. 62/63)
Ein weiteres Lied zum Bauernaufstand
von 1653, der weder die erste noch die letzte, aber
die radikalste Erhebung im Entlebuch war. Es habe im
Entlebuch «öpen 9 mahl gerebelet», gibt ein Entlebucher
Bauer im 18.Jahrhundert in einem Verhör zu Protokoll.
Im Gegensatz zu Sursee steht Willisau im Bauernkrieg
auf der Seite der Aufständischen. Daran erinnern noch
heute Wandmalereien an zwei Gasthäusern. Die Darstellungen
am Sternen beim Obertor belegen den Zeitpunkt März und
April 1653 und zeigen das Bild des Entlebuchers Christian
Schibi sowie des (reformierten) Berner Bauernführers
Niklaus Leuenberger – eine Seltenheit im streng katholischen
Luzernbiet.
Urs Hostettler schreibt zum Lied: «Nach der Zerschlagung
des grossen Bauernaufstandes hob ein Hängen, Rädern
und Köpfen an, wie es in der Schweizergeschichte einzigartig
dasteht; eine so barbarische Strafjustiz, wie sie wohl
nur das vielverschriene Mittelalter kannte. Die revolutionären
Bauern wurden dutzendweise – mit oder ohne Gerichtsverfahren
– von den Siegern im Namen des Staates ermordet.
Fridli Bucher hatte den Aufbau des grossen Bauernbundes
nach Kräften betrieben und war zum Obersten und Richter
der Aufständischen aufgestiegen. Im Gegensatz zu den
meisten anderen Bauernführern stellte er sich im Juni
1653 freiwillig der siegreichen Obrigkeit. Deren Bestechlichkeit
war ein offenes Geheimnis. Mancher Gefangene konnte
sich freikaufen. Weil Bucher zu den wohlhabenden Landleuten
und auch nicht zu den allerärgsten Rebellen zählte,
hätte er sein Leben wohl retten können. Doch blieb er
selbst nach dreiwöchiger Gefangenschaft im Wasserturm
von Luzern «bei seiner Warheit stehen».
Am Samstag, dem 5. Juli 1653 wurde Fridolin Bucher gehängt.
Bald schon pilgerte das Luzerner Landvolk zu «den heiligen
unter den Galgen», was daraufhin wiederum prompt bei
Todesstrafe verboten wurde. Buecher wird im Luzernischen
bis heute verehrt, so wurde etwa bei Willisau eine Mehrzweckhalle
«Fridli Bucher Halle» getauft.
Urs Hostettler schreibt, er hätte das
Lied aus drei bekannten Fassungen zusammengestellt.
Ich wiederum habe seine 22 Strophen auf deren neun gekürzt.
Bild des Todes: Der mit dem Tod lebende,
der würdevolle Tod
Les couleurs de la mort (Marfurt / Gwerder arr.
Marfurt/Haller)
- Le chien de ma mémé est mort
fini sous une voiture
’n’a pas connu le rouge ni le vert
c’est pourquoi il a dû crever
Refrain: trala – la, la, la
Madame la mort nous salue tous
l’un, elle le prend dans ses bras
les autres, elle les pousse vers l'abîme
trala – la, la, la
la roue elle tourne toujours
quand s’arrêtera-t-elle, on ne sait pas
à qui le tour? à toi? à moi?
-
et mon cousin est mort
il est tombé de sa chaise
il buvait à qui mieux mieux
maintenant il est parti
Refrain
-
la sœur de mon ami est morte
elle a sauté à bas du toit
la peur avait bouffé son âme (bouffé = gefressen)
elle ne voulait plus rester
Refrain
-
mon cher papa est mort aussi
il est parti en douceur
la vie nous a fait tant plaisir
maintenant c’est tout fini
Eigenkomposition mit Text von Urban Gwerder und mir. Auch
Urban passt zu den hier besungenen Figuren. Lesen Sie
sein Buch, «im magischen Zeichen des Affen». Das Lied
ist eine Art moderner Totentanz. Mit makaberer Note,
aber auch mit happy end – so man es so sehen will. Es
entstand 1996 in Berkeley, California. Die französische
Sprache schien uns passend. Danielle Süess-Lerch hat
uns beim Übersetzen geholfen.
Bild des Todes: Der gütige Tod,
der Tod als Heimkehr
Cajutz (Lincke arr. Lincke)
Nur wer frei gelebt hat stirbt mit so
einem Jutz! Instrumentalstück von Matthias Lincke mit
Versatzstücken vom Naturjutz «de root Bürgler». Die
Muotha trifft hier auf den Swamp des Mississippi.
Bild des Todes: Der Tod als Erfüllung,
Einklang mit dem Tode
Der Tod von Basel (Trad. Arr. Lietha)
- Alsz ich eyn junger G’selle war,
nam ich eyn steynalts Weyb;
ich hett sie kaum drey Tage,
hatts mich schon widerumb g’reut.
- Als ich nu uff den Kirchhof kam,
bat ich den liben Tod:
«ach liber Tod von Basel
hol mir meyn’ Alte fort»
- Alsz ich wider nach Hause kam,
fand ich meyn’ Alte tod
ich spannt die Ross anndt Wagen,
vnndt fur meyn’ Alte fort.
- Alsz ich wider uff den Kirchhof kam,
das Grab war schon gmacht.
Jr Treger gett feyn sachte,
dz d’ Alte nit erwacht.
- Scharrt tzu, scharrt tzu, scharrt immer tzu,
dz alte böse Weyb
Si hat jr lebetage
geplagt meyn’ jungen Leyb.
- Alsz ich wider nach Hause kam,
all Winckel waren mir z’weyt;
ich wartet kaum drey Tage
nam ich eyn junges Weyb.
- Dz junge Weybel dz ich nam,
dz schlug mich alle Tag,
ach liber Tod von Basel.
Hett ich mey’ Alte noch!
(Quelle: Greyerz, Im Röseligarte, Band IV,
S. 18)
Wir lernen: mit Gevater Tod lässt sich
zwar «dealen», aber unterschätz das alte Schlitzohr
nicht!
Der Liedtext stammt aus dem zweibändigen Büchlein, das
der berühmt-berüchtigte Berliner Aufklärer Friedrich
Nicolai 1776 veröffentlichte: «Eyn Schweyzerisch Lyd,
von jungen Weybern». Er veröffentlichte das Werk in
der Absicht, die von den Dichtern des Sturm und Drang
ausgelöste Volksliedermode lächerlich zu machen und
wählte deshalb nur besonders geschmacklose Texte aus.
Zu seinem grossen Ärgernis trugen die beiden Bändchen
dennoch prompt zur Popularisierung des Liedes bei.
Es gibt Behauptungen, das Lied sei ähnlich auf Flugblättern
in verschiedenen Text- und Melodievarianten seit dem
16. Jahrhundert bekannt und beziehe sich auf das Fresko
des «Basler Totentanzes» das sich im 15. Jahrhundert
an der Kirchhofmauer des dortigen Predigerklosters befand.
Bild des Todes: Der Tod als Geschäft
oder der Tod als Lehrmeister (Der Tod als Objekt der
Neugier)
Der grimmig Tod (trad. arr. Maggiori)
- Der grimmig Tod mit seinem Pfeil
Tuot nach dem Leben zielen,
Sein Bogen schießt er ab mit Eil
Und läßt mit sich nit spielen;
Das Leben schwind't
Wie Rauch im Wind,
Kein Fleisch mag ihm entrinnen,
Kein Gut noch Schatz
Beim Tod find't Platz:
Du mußt mit ihm von hinnen.
- Kein Mensch auf Erd uns sagen kann,
Wann wir von hinnen müssen,
Wann kommt der Tod und klopfet an,
So muß man ihm aufschließen.
Er nimmt mit G'walt
Hin Jung und Alt,
Tut sich vor niemand scheuen:
Des Königs Stab
Bricht er bald ab
Und führt ihn an, den Reihen.
- Vielleicht ist heut der letzte Tag
Den du noch hast zu leben;
O Mensch veracht' nicht was ich sag:
Nach Tugend sollst du streben!
Wie mancher Mann
Wird müssen dran,
So hofft noch viel der Jahren,
Und muß doch heint,
Weil d'Sonn noch scheint,
Zur Höll hinunter fahren.
- Der dieses Liedlein hat gemacht,
Von neuem hat gesungen,
Der hat gar oft den Tod betracht,
Und letztlich mit ihm g'rungen.
Liegt jetzt im Hohl,
Es tut ihm wohl,
Tief in der Erd verborgen.
Sieh auf dein Sach,
Du mußt hernach,
Es sei heut oder morgen.
(Q: Zupfgeigenhansl)
"Ein gar andächtig Gesang von dem
Tode" lautet die Überschrift zu diesem Lied im
Paderborner Gesangsbuch. Die älteste Textfassung des
Liedes hat 25 Strophen. Der «Pavierton», wie die Melodie
auch genannt wird, erhielt seinen Namen von einem Landsknechtlied,
das die Schlacht bei Pavia (1525) zum Inhalt hatte.
Die Melodie war so verbreitet, dass es eine ganze Reihe
von geistlichen wie weltlichen Neutextierungen gibt.
Der Text vom "grimmig Tod" stammt angeblich
vom lutherischen Stiftsprediger und Probst in Stuttgart,
Dr. Balthasar Bidembach (1533-1578). Er litt lange an
schwerer Krankheit und klagt mit diesem Text seinen
eigenen nahenden Tod an.
Bild des Todes: Der grimmige Tod
Tannhuser (trad. arr. Dix)
- Tannhuser war e Wunderfitz
gross Wunder tuet er schauen
er geit uf Frau Vrenes Bärg
zu dene schöne Jungfrauen
- Tannhuser lieber Tannhuser
weit dir bei uns verbleiben?
wott öich die jüngschte Tochter gäh
zum eheliche Weibe
- Diese Tochter will i nit
isch mir gar höch verbotte
Isch obem Gürtel Milch und Bluet
drunger Schlange u Chrotte!
- Frau Vrene hat ein Feigenbaum
er leit sich drunder zum Schlafen
es kam ihm für in seinem Traum
von Sünden sollt er lassen
- Tannhuser stund uf, gieng davon
er wollt uf Rom ga bychten
wenn er z’Rom wohl inecham
war er mit blutten Füessen
- Der Papst mit Stab in siner Hand
vor Dürri tuet är spalten
so wenig wird dir d Sünd erlah
wie dass dä Stab da grüenet
- Tannhuser gieng zur Kirche-n-us
trifft är üsi liebe Froue
Behüet Dich Gott, Du reini Magd
Dich darf ich nimmer schoue
- S’gieng äbe numen dritthalbe Tag
der Stab fieng an zu grüenen
der Papst befiehlt in alli Land
er liess Tannhuser suechen
- Tannhuser isch jez nimme hier
Tannhuser isch verfahren
Tannhuser sitzt am steinige Tisch
dr Bart wachst ihm drum umme
(Quelle: Röseligarte, Band II, S. 43)
Das bekannte Opernthema als Volksliedversion
(daher hat`s Wagner natürlich), in der die römische
Venus mit der germanischen Freia eine merkwürdige Personalunion
eingeht. Sollte der grünende Stab aus Strophen 6 und
8 erotisch zu verstehen sein, kann man begreifen, dass
der Papst dem Tannhuser schliesslich doch die Sünden
erlassen wollte... Das frömmlerische Ende haben wir
Euch und uns erspart.
In Wikipedia kann man lesen: «Tannhäuser war vermutlich
ein ostfränkischer Ritter und könnte aus Thannhausen
in der Oberpfalz stammen. Er führte ein unstetes Leben
als fahrender Sänger und Hofdichter des 13. Jahrhunderts.
Überliefert sind zum einen kunstvolle, höfische Tanzlieder,
zum anderen realistisch anmutende, oft parodistisch
überzeichnete Liebeslieder. Mit seinen derben Versen
soll Tannhäuser die Frommen schockiert haben.»
Man hat mir erzählt, dass sich im Prätigau (GR) ein
Dorf Danusa befindet und da wiederum sei auch ein Vrenesberg.
Das Schweizer Geschlecht Danuser leite sich von Tannhuser
ab. Und siehe da, bei Tobler (Schweizerische Volkslieder,
1882) beginnt das Lied: Danuser war ein wundrige Chnab
... Seine dritte Strophe ist auch besonders: Die (d.h.
die drei Jungfrauen) sind die ganze Wuche schö, mit
Gold und Side behange, händ Halsschmeid a und Maiekrö
(Blumenkränze), am Suntig sind’s Otre (Ottern) und Schlange.
Ferner weiss Tobler zu berichten, bei Bad Ragatz sei
ein Hügel, jetzt genannt «Thiergarten» (Thierget), von
alten Leuten «Frau Vrenes- oder Vrenesberg» geheissen.
Ein 80jähriges Mütterchen aus jener Gegend erinnere
sich, dass in ihrer Jugend das obige Lied unter dem
Namen «Tiergetlied» allgemein bekannt gewesen sei.
Bild des Todes: Der Tod als bittere Wahrheit und letztlich
als heitere Gewissheit, der Knochenmann
Air Suisse / Maienlied (trad. arr. Maggiori)
- Der Maien ist kommen, und das ist ja wahr;
es grüenet jetzt alles im Laub und im Gras.
Im Laub und im Gras sind der Blüestli so viel,
drum tanzet s’Mareili im Saitenspiel.
Nun tanz, nun tanz’, Maiereieli, tanz,
du hast jetzt gewonnen den Rosenkranz.
- Mir hauet den Maien, mir thüend ihn in’s Thau;
mir singets dem Bur und der fründliche Frau,
der fründliche Frau und dem ehrliche Ma,
der eus eso richlich belohne cha.
Die Pürin ist guet, und si git is so gern
schön Äpfel und Birre mit brunem Kern.
- Gend use, gend use viel Eier und Geld,
so könnet mir witers und ziehn über s’Feld.
Gend use-n, ihr Lüt, gend is Anke-n und Mehl!
Die Chüechli sind hür na so guet als fern.
E Chette vo Gold wohl rings um das Hus,
und jetz ist unsers schön Maienlied us.
(Quelle: Rousseau / Gassman)
Beim Air Suisse handelt es sich um den
berühmten Kuhreihen, den Jean-Jacques Rousseau im «dictionnaire
de musique, Paris, 1768», gesammelt hat. Wir fühlen
uns berechtigt, ihn auf Sackpfeifen zu spielen, denn
Rousseau selber hat den Vermerk «Cornamuse» beigefügt.
Danach, quasi als Neuanfang, oder als symbolische Auferstehung;
die Meyenzyt – das alte Sechseläutenlied von 1849.
Bild des Todes: Der Tod stirbt selber
oder die Auferstehung
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